Ansprache des Ortsvorstehers in der Gedenkfeier in Krumbach zum Volkstrauertag 2021

Evangelische Kirche in Krumbach

Sehr geehrte Damen und Herren,

Gleich zwei Denkmale sollen neben der Krumbacher Kirche die Erinnerung an gefallene oder vermisste Soldaten der beiden Weltkriege im vorigen Jahrhundert wachhalten.

Viele von uns gehen täglich daran vorüber, haben sich an ihren Anblick gewöhnt und registrieren allenfalls deren unterschiedliche Größe und Formgebung. Auch mir ist das lange so gegangen, bis ich mich mit den darauf befindlichen Inschriften eingehender auseinandergesetzt habe.

Das direkt neben der Kirche befindliche, wohl um 1930 entstandene, trägt auf der Vorderseite die kaum noch lesbare Widmung „Ihren teuren Helden zum bleibenden Gedächtnis errichtet von der dankbaren Gemeinde Crumbach“,  versehenmit den Jahreszahlen 1914 und 1918, und wird von einem in Stein gehauenen Eisernen Kreuz, dem höchsten militärischen Orden in Deutschlkand, bekrönt.

Das Denkmal für die im 1. Weltkrieg gefallenen Soldaten

Das Denkmal folgt damit dem schon bald nach dem Ersten Weltkrieg wieder offen zur Schau getragenen Opfermythos vom Heldentod für das Vaterland, der schon vor der Nazi-Diktatur Schlimmes erahnen ließ.

Hitlers Propagandaminister Goebbels proklamierte 1934 den seit 1925 als Gedenktag für die gefallenen deutschen Soldaten begangenen „Volkstrauertag“ offiziell zum „Heldengedenktag“, dessen festes Datum Hitler dann 1939 selbst auf den Jahrestag der Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht im Jahr 1935 festlegen ließ. Der Heldengedenktag wurde so gezielt in den Dienst der Aufrüstung gestellt und sollte die Menschen auf die vom Regime für unausweichlich erklärte Rache für die erlittene „Schmach von Versailles“ zusätzlich anstacheln oder zumindest einstimmen.

Wir alle wissen, welche Katastrophe der daraus resultierende Zweite Weltkrieg für Europa mit sich gebracht hat. Haben die immensen Verluste an Menschenleben, ihrer Heimat in den damaligen Ostgebieten, die in deutschem Namen an so vielen Unschuldigen begangenen Verbrechen aber zu einem nachhaltigen Umdenken geführt?

In Krumbach entstand um 1960 das zweite Mahnmal zum Gedenken an die in eine Sandsteinwand eingemeißelten Namen von 20 Gefallenen oder Vermissten des Ersten und 34 Gefallenen oder Vermissten des Zweiten Weltkrieges, darunter 3 Namen von nicht in Krumbach Geborenen, deren Angehörige und Hinterbliebene aus ihrer sudetendeutschen Heimat 1946 vertrieben worden waren.

Das Denkmal “Den Toten” aus dem Jahre 1960

In Wirklichkeit berücksichtigt die zentrale Inschrift „Den Toten“ bei weitem nicht alle Menschen, die im Verlauf oder als Folge des Zweiten Weltkrieges zu Tode gekommen sind. Ich erinnere an die Entbehrungen der Zivilbevölkerung während des Krieges und das Schicksal der vielen Flüchtlinge während und danach, namentlich von Frauen und Kindern und aller, die 1945 buchstäblich vor dem Nichts gestanden haben.

Die damalige Situation bot nicht nur hinreichend Veranlassung zur Trauer, sondern auch zur Wut über das Versagen gegenüber fundamentalen Formen des menschlichen Miteinanders. Vielleicht ist das eine Erklärung für das aus dem religiösen Kontext gewählte Symbol des zweiten Krumbacher Denkmals, vor dem wir uns versammelt haben: die Engelsgestalt, die einen Drachen zu ihren Füßen tötet. Es könnte sich dabei um den Erzengel Michael handeln, der als Sendbote des „Guten“, nennen wir es einmal unser Gewissen, das „Böse“ niederringt.

Für mich enthält dieses Denkmal eine dauerhafte Aufforderung, uns der Verpflichtung für die Einhaltung von Frieden, Toleranz und Mitmenschlichkeit bewusst zu sein und uns dafür einzusetzen, dass sich die leidvolle Vergangenheit nicht wiederholt.

Es macht mich allerdings sehr betroffen, wenn ich erfahre, dass nach einer gezielten Recherche der Wochenzeitung „Die Zeit“ allein zwischen 1990 und 2020 in unserem Land 187 Menschen aus rechtsextremistischer Menschenverachtung getötet worden sind. Ja, Bertolt Brecht hatte recht: “Der Schoß ist fruchtbar noch“. Spätestens nach Bekanntwerden der 9 Morde durch die NSU-Terroristen zwischen 2000 und 2007 oder gar dem Mord an Kassels Regierungspräsident Walter Lübcke sowie den Morden von Halle und Hanau mit insgesamt 11 Toten sollte die Öffentlichkeit alarmiert sein. Dabei ist die Tötung aus fremdenfeindlichen, rassistischen oder antisemitischen Beweggründen erst das erschreckende Ergebnis nicht zuletzt einer vorher ungeniert betriebenen, digital verbreiteten Hetze, die im Zeitalter des Internets vor allem für anonym agierende Hassprediger so einfach geworden ist. Menschen, die für alle zweifellos vorhandenen Probleme schnell einen Sündenbock parat haben, stellt die Erforschung der zumeist komplexen Ursachen und Hintergründe oft leider mehr als eine intellektuelle Überforderung dar!

Wir in Krumbach sind keineswegs davor gefeit, dass die geradezu pandemische Verbreitung des Hass-Virus auch bei uns nachweisbar ist. So empfinde ich es, um ein Beispiel zu nennen, mehr als empörend, wenn die Witwe eines Mitbürgers im Winter auf der Grabplatte ihres Mannes ein in den Schnee gezeichnetes Hakenkreuz vorfindet, offenbar weil jemand es nicht ertragen konnte, dass der Verstorbene mit einer Frau von außereuropäischer Herkunft verheiratet war!

Ich möchte mich daher herzlich bei allen für die Initiative der Gemeinde Biebertal bedanken, im Rahmen einer Charta für Demokratie und Toleranz, gegen Rassismus und Antisemitismus ein sichtbares Zeichen für den Erhalt alles des „Guten“ zu setzen, dem wir heute hier Lebenden schließlich die Überwindung des durch die Kriege der Vergangenheit angerichteten Leides entscheidend mit zu verdanken haben.

Zeigen Sie bitte mit Ihrer Unterschrift unter die Charta, dass Sie sich mit dieser Initiative solidarisieren!

Gottfried Tschöp

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