Ansprache des Ortsvorstehers: Volkstrauertag 2023

Sehr geehrte Anwesende, liebe Krumbacher Mitbürgerinnen und Mitbürger,

die diesjährigen Feierstunden zum Volkstrauertag stehen aufgrund der beunruhigenden Entwicklung der internationalen Beziehungen des zu Ende gehenden Jahres, aber auch wegen der durchaus Anlass zu vermehrter Sorge gebenden politischen Stimmung in weiten Teilen unserer Bevölkerung ausgeprägt deutlicher als  in den Jahren zu Beginn des 21. Jahrhunderts im Zeichen des Friedens – oder besser der Suche danach.

„Hier sind wir versammelt, um über Frieden zu sprechen, wo doch gar nicht weit fort ein Krieg tobt, ein der Tyrannei eines einzelnen Mannes und seiner Gier nach Macht und Eroberung geschuldeter Krieg. Und in Israel und dem Gazastreifen ist noch ein bitterer Konflikt explodiert. Frieden will mir im Augenblick wie ein dem Rauch der Opiumpfeife entsprungenes Hirngespinst vorkommen. Selbst auf die Bedeutung dieses Wortes können sich die Kombattanten nicht einigen…“

Was Sie gerade aus meinem Mund gehört haben, ist die Einschätzung des diesjährigen Friedenspreisträgers des Deutschen Buchhandels, ausgeführt am Tag der Preisverleihung vor einem Monat in der Frankfurter Paulskirche zum Ende der diesjährigen Buchmesse. Salman Rushdie , dem seit 1989 von fundamentalistischer Seite wegen angeblicher Gotteslästerung nach dem Leben getrachtet wird, der erst im vergangenen Jahr ein auf ihn verübtes Attentat schwer verletzt überlebt hat, zieht eine bittere Bilanz unserer gegenwärtigen Weltlage, wenn er in seiner Dankesrede weiter beklagte, in einer Zeit leben zu müssen, in die Freiheit, und insbesondere die Meinungsfreiheit auf allen Seiten „von reaktionären, autoritären, populistischen, demagogischen, halbgebildeten, narzisstischen und achtlosen Stimmen angegriffen“ werde, in der „extremistische Religionen und bigotte [d.h. fanatisch engstirnige] Ideologien begännen, in Lebensbereiche vorzudringen, in denen sie nichts zu suchen“ hätten. – Deutlicher hätte das Urteil aus dem Mund eines Mannes, der am eigenen Leib den Verlust von Freiheit, Toleranz zwischen Kulturen und Nationen, ohne die kein Friede existieren kann, verspüren muss, ausfallen können, wie ich finde!

Wie viele Menschen in den Konfliktregionen der Gegenwart leiden unter den zahlreichen Formen von Willkür, Terror, Unterdrückung, Manipulation, Leid und Tod als Ausdruck direkter Gewalt, den sich verschlechternden Lebensbedingungen infolge von Unterentwicklung, sozialer und wirtschaftlicher Misere, des Klimawandels auf der einen und Machtmissbrauch, ungehemmter Bereicherung von Machteliten sowie des Fehlens von Rechten aller Art für die Mehrheit der Bevölkerung andererseits.

Wenn dann, worauf Rushdie mit Nachdruck hinweist, eine wenigstens annähernd objektive Berichterstattung durch propagandistische Verzerrung der wahren Verhältnisse unter Inanspruchnahme der heutigen multimedialen Kommunikationsmittel behindert oder gänzlich verhindert wird, trägt die damit verbundene Gefahr von gezielter Desinformation nicht selten zu Verschwörungstheorien bei.

Internet und soziale Medien eröffnen ja bereits jedem, seine persönliche Sicht mannigfaltig bestätigt zu bekommen oder sie entsprechend zu verbreiten. Deshalb soll auch an dieser Stelle vor den Gefahren einer solchen Entwicklung, die letztlich die Fundamente unserer Demokratie in Frage stellt, nachhaltig gewarnt werden. Unser parlamentarisches System bedarf sicher der einen oder anderen aktuellen Anpassung, aber es fußt auf der Verbindlichkeit der Grundrechte, wofür wir von vielen Menschen in der Welt beneidet werden, die nicht zuletzt deshalb in unserem Land Zuflucht vor Krieg und Not suchen. Dabei wird seine Aufnahmefähigkeit zwar immer mehr auf eine harte Probe gestellt. In völligem Widerspruch zum Geist des Grundgesetzes stünde jedoch ein Aufkündigen der im Asylrecht verfassungsrechtlich fixierten Aufnahmebereitschaft gegenüber Menschen, die der Verfolgung aus politischen, ethnischen, kulturellen oder religiösen Gründen erkennbar entfliehen müssen.

Wir wissen aber auch, dass das nicht für alle, die an unsere Grenzen klopfen, zutrifft. Hüten wir uns aber gerade in Anbetracht unserer jüngeren Geschichte vor einem Wiederaufflammen von pauschaler Fremdenfeindlichkeit, Hass und übersteigertem Nationalismus!

Am 10.12. wird wieder der internationale Tag der Menschenrechte begangen, der auf ihre Proklamation durch die Vereinten Nationen im Jahr 1948 zurückgeht. Hannah Arendt formulierte seinerzeit, das „Recht, Rechte zu haben“ müsse für alle Menschen, Völker und Nationen „Grundlage der neuen globalen Organisation der Welt“ sein. Offenbar ist dieser Appell gegenwärtig weitgehend in den Hintergrund des Interesses so vieler Akteure in den Machtzentralen gerückt.

Der Freiburger Historiker Jörn Leonhard hat kürzlich in seiner Publikation „Über Kriege und wie man sie beendet“ in 10 Thesen vor Illusionen über ein schnelles Ende der aktuellen Konflikte gewarnt. Seiner Einschätzung nach müsse man so lange mit der Fortsetzung eines Krieges rechnen, solange eine der kriegführenden Seiten der Meinung sei, die eigenen Ziele militärisch erreichen zu können. Erst dann werde es zu ernsthaften Verhandlungen kommen. So führten z.B. die Erfahrungen von 1918/9, als dem Ersten Weltkrieg im Frieden von Versailles ein fauler Friede als Keimzelle für den noch schlimmeren Zweiten Weltkrieg gefolgt sei, zu dem Schluss, dass es in der gegenwärtigen weltpolitischen Lage keinen stabilen Frieden ohne den Anspruch auf Gerechtigkeit für alle Seiten geben könne.

Sehr geehrte Anwesende, ich fürchte, davon sind wir noch ziemlich weit entfernt.

Trotzdem sollte und darf uns das nicht davon abhalten, die immer wieder betonten Werte unserer Demokratie, der Humanität und des Friedens auf der Grundlage der Grund und Menschenrechte, der Rechts- und Sozialstaatlichkeit, des zivilgesellschaftlichen Pluralismus und mitmenschlicher Solidarität., ausgehend von unseren Gemeinden, als nachhaltige Friedensinstrumente zu pflegen. Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus schüren dagegen Hass und tragen nirgendwo zum Frieden bei!                                                                                          Gottfried Tschöp

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