Krumbach an der Grenze 7 – Richtung “Läuseberg”

Gottfried Tschöp:
Krumbach an der Grenze – Bericht über einen „ausgefallenen“ Grenzgang

Wenn wir die Kreisstraße in besagter Kurve überqueren, erreichen wir auf der rechten Seite den fast parallel zur Straße verlaufenden Saumweg, der mit der Gemarkungsgrenze weitgehend identisch ist.
Erst kurz oberhalb Frankenbachs, am Ende der „Auf dem Läuseberg“ genannten Flur auf der Höhe gegenüber dem Birgel, wendet sich die Grenze, die bis dahin durchgehend in nördlicher Richtung
verlaufen ist, wieder nach Osten.

Abbildung 22: Blick von der Höhe zum Birgel
nach Frankenbach

Gut sichtbar durch die bewirtschafteten
Flächen auf Frankenbacher Seite verläuft
die Gemarkungsgrenze nun übersichtlich
entlang der Verbindungsstraße nach
Krumbach, bis sie vor dem als Radweg
gekennzeichneten Abzweig in spitzem
Winkel wieder scharf links Richtung
Wilsberg abzweigt.
Auf dem leicht ansteigenden Gelände erreichen
wir nach wenigen Metern den Endpunkt unserer
Grenzwanderung.

Der aufmerksame Beobachter wird festgestellt haben, dass die Krumbacher Gemarkungsgrenze am und um den Dünsberg im Großen und Ganzen durch das natürliche Geländeprofil mit seinen Erhebungen, Taleinschnitten und Wasserläufen bestimmt wird, auch wenn forstwirtschaftliche Eingriffe, der moderne
Wegebau und vor allem die Kreisstraße alte Strukturen z. T. unkenntlich gemacht haben.
Trotzdem finden sich vereinzelte steinerne Grenzmarkierungen entlang der Strecke sowie Bodenvertiefungen, die von alten Hohlwegen zeugen.

Wie aber lässt sich erklären, dass ein beträchtlicher Teil der ehemaligen Krumbacher Gemarkung weitab von der eigentlichen Siedlung liegt?

Das kann letztlich nur damit zusammenhängen, dass sich der heutige Ort im Laufe seiner Entwicklung, talwärts dem Ortsbach folgend, in siedlungsgünstigeres und ertragreicheres Gelände um die auf einem weithin sichtbaren Hang erbaute Dorfkirche herum entwickelt haben muss, während die bergigen Gemarkungsanteile im Südwesten an Attraktivität verloren haben.

Grundsätzlich stellt sich die Frage:
Welche Faktoren können überhaupt bei der Entstehung der Siedlung „Krumbach“ eine Rolle gespielt haben?

Fruchtbares Ackerland oder mildes Binnenklima wohl kaum angesichts der Randlage im Nordstau des Dünsbergs. Deshalb sollte man eher das Augenmerk besonders auf andere historische Indizien richten.

In früheren Jahrhunderten, spätestens seit dem Hochmittelalter, aber schon als Folge der fränkischen Binnenkolonisierung des Lahngaus ab dem 8./9. Jh., erlangte die Errichtung von ganzjährig passierbaren
Wegen und Handelsstraßen zunehmende Bedeutung in einem noch dünn besiedelten Land, besonders dort, wo ungünstiges Gelände ein Verkehrshindernis darstellte oder die durch regelmäßig angelegte
Streckenposten oder Höfe erschlossen und gegen Übergriffe gesichert werden mussten.

Auf einer Karte der Siedlungen und Altwege des Heimatforschers Hans Reeh sind neben wüst gefallenen
Siedlungen diejenigen Straßen verzeichnet, die für die Dünsbergregion Jahrhunderte lang eine überregionale Bedeutung gehabt haben.
Zu erwähnen ist besonders die von Königsberg über das Helfholz geführte Mainzer Straße, die den Dünsberg nördlich umgeht und oberhalb von Krumbach dem seit den Sachsenkriegen Karls des Großen wichtigen Alten Marburger Heerweg als Höhenweg folgt.

Abbildung 23: Alter Straßenverlauf – Kr = Krumbach

Beide treffen im Bereich des heutigen Waldhauses auf die von Süd nach Nord führende Alte „Weinstraße“, die korrekt aber „Wagenstraße“ heißen müsste.

Stationen auf Krumbacher Gebiet waren somit die Passage vom Dünsberggrund bis zur Wasserscheide an der Schluchtwiese, der alte Hohlweg und auch das Lammert.
So dürfte es wenig überraschen, dass neben der sich nur noch an einer Ausbuchtung der Gemarkung von
Frankenbach abzeichnenden Siedlung Bensburg im Dünsberggrund nach Überwindung der kleinen Passhöhe zwischen Dünsberg und Isselscheid, wenige hundert Meter im nordwärts sich öffnenden Tal des hier aus zahlreichen Quellen entstehenden Krumbachs, ebenfalls eine erste Siedlung bestanden hat, über die uns allerdings nur noch der erhaltene Flurname Auskunft gibt: „die schwarze Hofstatt“.
Wie lange diese mutmaßlich erste Siedlung am Krumbach bestand, ist allerdings nicht bekannt, ebenfalls liegen die genauen Motive für die nordöstliche „Talwanderung“ Krumbachs im Dunkeln.

Wir wissen nicht, welches Gesicht unser
Dorf im Jahr 1261 hatte, als der in der
Ersterwähnungsurkunde des Ortes
genannte Vetzberger Ministeriale
Conrad/Konrad von Crumbach/Krumbach
sich für seinen Bruder um ein Lehen in der
Gönser Mark bei Grüningen bemüht hat,
können aber davon ausgehen, dass der Ort
schon eine gewisse Bedeutung gewonnen
haben muss, und zwar, wie ganz zu Anfang
des Grenzganges erwähnt, als Kirchort an
der Grenze des Erzbistums Trier zu Mainz.

Abbildung 24: Blick talwärts
von der Schwarzen Hofstatt

Im Unterschied zu zahlreichen ursprünglichen Siedlungen in der Umgebung, die aufgrund von Hunger und Not, der Pest, immer wiederkehrender kriegerischer Ereignisse oder einfach wegen ihrer zunehmend ungünstigen verkehrsgeografischen Lage zu Wüstungen wurden, hat sich Krumbach über die Jahrhunderte behaupten können.
Seine „Lage an der Grenze“ hat es den Menschen innerhalb der gut 5 km² großen Gemarkungsfläche, was einem Anteil von knapp 12% an der Gesamtfläche von Biebertal entspricht, nicht immer einfach gemacht, lange Zeit in einer gewissen Abgeschiedenheit von ihren räumlichen Nachbarn zu leben.
Sie können deshalb im Jahr 2021 durchaus mit einem gewissen Stolz auf 760 Jahre dokumentierter Siedlungskontinuität zurückblicken.

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